Warum Schiedsgerichte verändert werden müssen

Von Nora Kolhoff

Vor internationalen Schiedsgerichten können Firmen Staaten verklagen und so ihre Investitionen im Ausland sichern – ein Verfahren, das tausende Kritiker auf die Straßen trieb. Ist das System noch reformierbar?

­­Spricht man über Schiedsgerichte, fällt in Deutschland fast immer ein Name: Vattenfall. Ein schwedisches Unternehmen verklagt die Bundesregierung, und zwar vor einem Schiedsgericht in Washington. Vattenfall fordert fast fünf Milliarden Euro – wegen des Gesetzes, das den deutschen Atom-Ausstieg besiegelt hat. Dieser bedeutete einen großen Sieg für erbitterte Atomkraftgegner, aber einen herben Verlust für Vattenfall. Milliardeninvestitionen in Kraftwerke wurden wertlos.

Regelmäßig verklagen Investoren Staaten auf Schadensersatz. Schiedsgerichte haben sich rund um den Globus etabliert. Möglich machen das sogenannte Investitionsschutzabkommen. Haben zwei Staaten ein solches abgeschlossen, können Investoren aus dem einen Staat das andere Land, in dem sie investiert haben, verklagen. Das soll sie vor Enteignung schützen. In der Regel entscheiden drei Richter über die oft milliardenschweren Fälle. Beide Streitparteien entsenden dafür eine Person und bestimmen gemeinsam eine dritte.

Schutz für Investoren – aber zu welchem Preis?

Der Fall Vattenfall steht sinnbildlich für eine hochemotional geführte Debatte. An der einen Front stehen die Kritiker. Sie fürchten, der Profit Einzelner wiege mehr als das Gemeinwohl. Die andere Seite argumentiert, neue Gesetze dürften Investitionen nicht einfach so entwerten – wie bei Vattenfall geschehen. Hier hatte die Regierung dem Konzern nämlich vor dem Ausstieg längere Laufzeiten für die Kraftwerke versprochen.

In unserer Ringvorlesung haben die beiden Juristen Prof. Julian Scheu und Dr. Rhea Hoffmann die gegnerischen Positionen repräsentiert – wissenschaftlich statt emotional.

Scheu verteidigt die Schiedsgerichte – aus mehreren Gründen. Bevor es die Institutionen gab, haben Investitionsstreitigkeiten zwischen Investoren und einem anderen Staat laut Scheu nicht selten zu diplomatischen oder gar militärischen Konflikten geführt. Heute sollen die Abkommen vor willkürlicher Behandlung und parteiischer Justiz schützen. Ohne Schiedsgerichte würden sich viele Investoren nicht trauen, in Ländern ohne funktionierendes Rechtssystem aktiv zu werden. Sie seien deshalb auch eine Art Entwicklungshilfe für solche Länder.

Doch warum braucht es einen Investitionsschutz auch zwischen Staaten mit unabhängigen nationalen Gerichten? Vattenfall etwa ist parallel zur Klage in Washington bereits vor das Bundesverfassungsgericht gezogen – erfolgreich. In Washington könnte Vattenfall nun eine höhere Summe erstreiten, als das deutsche Gericht dem Konzern zugesprochen hat. Doch Recht bekommen haben die Schweden auch so. Scheu argumentiert wie folgt: Einige europäische Staaten wie Polen oder Ungarn würden aktuell beweisen, dass Rechtsstaatlichkeit nicht von Dauer sein muss und Investitionsschutz auch deshalb sinnvoll sei.

Hier könnt ihr die Stellungnahme Vattenfalls zu dem Verfahren lesen. 

Dass Vattenfall vor dem Schiedsgericht auf mehr Geld hoffen darf, hat einen Grund: Die Richter urteilen nicht nach nationalen Gesetzen, sondern nach dem Recht, auf das sich Staaten in den Investitionsschutzabkommen geeinigt haben. Der dort festgeschriebene Investorenschutz gehe oft weiter als der in nationalen Gesetzen vorgesehene, sagt Rhea Hoffmann.

Reformen sind möglich

Hier setzt ihre Kritik an: Vor allem früher seien die Abkommen sehr vage formuliert gewesen. Die Schiedsrichter müssen die Begriffe – etwa, was überhaupt Enteignung ist – erst einmal auslegen und hätten dadurch weite Spielräume, so Hoffmann. Das sei auch ein demokratisches Problem: Zwar muss in Deutschland das Parlament solchen Investitionsschutzabkommen zustimmen. Diese würden aber oft einfach abgenickt. Und nach der Zustimmung zu einem Abkommen habe das Parlament keinen Einfluss auf die Auslegung.

Ihre Forderung: Neben Reformen im Verfahren, die sie für nötig hält, um die Schiedsgerichte transparenter zu machen oder demokratisch besser zu legitimieren, müssen vor allem die Inhalte reformiert werden. Das bedeutet: Staaten sollen präzisere Formulierungen in die Abkommen schreiben, die Auslegung stärker eingrenzen und klarer machen, wann zum Beispiel ein Umweltgesetz Schadensersatz möglich macht – und wann nicht. In ihrer derzeitigen Form gehörten die Schiedsgerichte abgeschafft.­­­­ Tatsächlich seien neuere Abkommen schon heute deutlich präziser, bemerkt Scheu. Doch auch er sagt, dass in diesem Punkt nachgebessert werden müsse.

Die Politik denkt nun über Reformen nach, nicht zuletzt wegen tausender Demonstranten, die während der TTIP-Verhandlungen gegen Schiedsgerichte demonstriert haben. Zur Debatte steht ein multilateraler Schiedsgerichtshof, für den die EU-Kommission wirbt. Die Verfahren dort sollen öffentlich sein, 15 fest berufene Richter sollen entscheiden und Interessenskonflikte so vermieden werden.

In der Ringvorlesung haben Scheu und Hoffmann detailliert über das Für und Wider der Schiedsgerichte gestritten. Hier könnt ihr euch das Gespräch in ganzer Länge ansehen.

Autorin: Nora Kolhoff

„Ich blogge für die Ringvorlesung, weil mich interessiert, wie Handel nachhaltiger und gerechter gestaltet werden könnte. Ich hoffe, dass die Dozenten, anders als ich es in den Grundfächern VWL an der Uni Köln kennengelernt habe, auch außerhalb des Rahmens denken. Deshalb freue ich mich insbesondere auf Fragestellungen wie: Warum wir Freihandelsverlierer*innen entschädigen müssen oder welche Rolle die Monopolisierung durch Riesenkonzerne spielt. Und ich bin gespannt auf Kritik und Anmerkungen zu meinen Texten!“

 

 

 

Afrikanische Länder sind im Welthandel machtlos

Von Lara Janssen

Im Welthandel sind Macht und Einfluss ungleich verteilt. Vor allem afrikanische Länder südlich der Sahara geben selten den Ton an. Fünf Gründe, warum das in Zukunft wahrscheinlich so bleibt.

Die Regeln des Welthandels sind das Ergebnis von unterschiedlich verteilter Macht. Oft nutzen sie vor allem Industrieländern wie den USA oder Deutschland. Die Rolle afrikanischer Länder hingegen ist auf der Bühne des Welthandels verschwindend klein. Was das für die Länder bedeutet, erklärte Dr. Evita Schmieg in unserer Ringvorlesung. Sie war lange Zeit Leiterin des Handelsreferats im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, mittlerweile forscht sie auf dem Gebiet.

Die schwache Machtposition afrikanischer Länder südlich der Sahara lässt sich Schmieg zufolge aus den globalen Handelsstrukturen ableiten. Und diese werden hauptsächlich von der Welthandelsorganisation (WTO) bestimmt. Ziel der WTO ist prinzipiell, den Handel zu liberalisieren. Das heißt: Zölle senken und Regeln für einen freien Waren- und Dienstleistungsverkehr aufstellen. Grundsätzlich herrscht unter vielen Ökonomen das Credo: Je freier der Handel, desto stärker profitieren unterm Strich alle. Aber schon innerhalb Deutschlands entstehen dabei Gewinner und Verlierer. Für Entwicklungsländer ist die Situation oft noch härter. Aus folgenden Gründen haben die meisten afrikanischen Staaten von einer zunehmenden Liberalisierung wenig:

1. Schlecht in Verhandlungen eingebunden
Entwicklungsländer sind oft zum Schutz der lokalen Märkte von neuen Regeln der WTO ausgenommen und müssen zum Beispiel ihre Zölle vorerst nicht senken. Eigentlich von Vorteil – diese Sonderbehandlung führt laut Schmieg aber auch dazu, dass die Industrieländer die Entwicklungsländer wenig in Verhandlungen über Abkommen einbeziehen – mit dem Argument, dass die neuen Regeln letztere zunächst sowieso nicht betreffen. Häufig bestünde auch seitens der afrikanischen Länder erst mal kein allzu großes Interesse, mitzudiskutieren. Insofern nützen die Abkommen meist eher den ohnehin schon mächtigen Nationen und die schwächeren Länder haben langfristig das Nachsehen.

2. Fehlende Stabilität führt zu wenig Investitionen
Hinzu kommt, dass Zölle nicht mehr ausschlaggebend sind. Inzwischen finden etwa zwei Drittel des internationalen Handels in globalen Wertschöpfungsketten statt. In einer Wertschöpfungskette besteht die Produktion aus verschiedenen Arbeiten an unterschiedlichen Orten. Je nach Schritt wird unterschiedlich viel Wert abgeschöpft, in voneinander unabhängigen Ländern. Insofern konkurrieren Länder nicht mehr mit ihren Produkten, sondern mit ihren Standortfaktoren. Relevant sind etwa eine klare Rechtslage, Stabilität und Sicherheit. Das können viele Subsahara-Länder nicht bieten, sie sind kaum in die Ketten involviert. Oft ist es für ausländische Unternehmen zu riskant zu investieren. Der derzeitige Anteil dieser Länder am Welthandel ist außerdem so gering, dass Investitionen unattraktiv sind.

3. Die USA ernennt keine neuen Streitschlichter
In Auseinandersetzungen haben weniger entwickelte Länder grundsätzlich eine schwache Position. Was ihnen als Machtmittel dienen kann, ist ein etabliertes Instrument der WTO: die Streitschlichtung. Hält sich ein Mitglied nicht an die Regeln, kann ein anderes Mitglied ein Panel aufrufen, das den Streit schlichtet und gegebenenfalls Sanktionen verhängt. Dieses System funktionierte eigentlich gut – bis die USA Donald Trump zum Präsidenten wählte. Er höhlt momentan das Instrument aus, indem er keine neuen Streitschlichter ernennt. Das führt dazu, dass das Gremium entscheidungsunfähig wird – und die schwächeren Staaten noch weniger Macht im Handelssystem haben.

4. Keiner fühlt sich für Afrika verantwortlich
Während die USA sich mit Trump aus jeglicher Verantwortung zieht, sehen viele die EU in der Pflicht, die afrikanischen Länder in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung zu unterstützen. Doch innerhalb der EU ist dies umstritten: Ehemalige Kolonialmächte stimmen einer Verantwortung tendenziell zu. Südeuropa hingegen macht vielen Staaten Afrikas mit ähnlichen Agrarprodukten Konkurrenz, und hat kein Interesse, seine Machtposition zu verschlechtern. Osteuropäische Länder wiederum fühlen sich angesichts eigener wirtschaftlicher Schwäche nicht verantwortlich. Damit sind klare Entscheidungen für eine starke Entwicklungspolitik im EU-Rat oft unmöglich. Es ist also unwahrscheinlich, dass sich die EU dafür einsetzt, die Machtposition der afrikanischen Staaten zu stärken.

5. NGOs und Regierungen instrumentalisieren Handelsabkommen
Erschwerend kommt hinzu, dass Nichtregierungsorgansiationen (NGOs) und auch afrikanische Regierungen komplexe Themen wie Freihandelsabkommen instrumentalisieren. Mit einfachen Slogans verurteilen und boykottieren sie laut Schmieg Handelsabkommen, ohne die möglichen Vorteile für die Bevölkerung zu erwähnen. Das kann für andere Ziele der NGOs wichtig sein, zum Beispiel um viele Menschen zu mobilisieren. Die afrikanische Position im Welthandel stärken sie dadurch jedoch nicht.

Dr. Evita Schmieg, Forscherin der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP)

Um die Stellung afrikanischer Länder im Welthandel langfristig zu stärken, ist es laut Schmieg wichtig im Einzelfall genau hinzuschauen. “Leider sind die Lösungen oft nicht so einfach, wie sie auf den ersten Blick klingen mögen”, sagt Schmieg.

Wenn ihr konkrete Beispiele und einige Geschichten aus der Praxis der Verhandlungen von Freihandelsabkommen erfahren wollt, schaut euch hier die Videoaufzeichnung der Vorlesung von Evita Schmieg an.

Autorin: Lara Janssen

„Eine Universität sollte ein Ort des Quer- und Weiterdenkens sein und nicht der reinen Rezeption. Damit auch in der Volkswirtschaftslehre verschiedene Modelle gelehrt und diskutiert werden, verbreite ich gerne die Inhalte der Ringvorlesung Plurale Ökonomik.“

Videoaufzeichnung der Vorlesung „Welche Rolle spielt Macht?“

Der Welthandel folgt Regeln, die in der Welthandelsorganisation (WTO) kodifiziert sind. Daneben existiert eine Vielzahl bilateraler und regionaler Freihandelsabkommen, die ebenfalls auf Verträgen basieren. Sind diese Regeln ein Schutz vor der Macht des Stärkeren? Oder sind schon die Regeln das Ergebnis von Macht und nützen nur stärkeren Ländern? Welchen Einfluss hat ein Einzelner in einer Machtposition, wie US-Präsident Donald Trump?

Diese Fragen hat Dr. Evita Schmieg vergangene Woche in unserer Ringvorlesung beantwortet. Sie war lange Zeit Leiterin des Handelsreferats im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und hat dort bei vielen der aktuell gültigen Handelsabkommen mitverhandelt. Mittlerweile ist sie Teil einer Forschungsgruppe der Stiftung Wissenschaft und Politik.

Hier gibt es ihre Vorlesung zum Nachschauen:

Lest auch den Blogbeitrag von Lara Janssen zum Thema:

Afrikanische Länder sind im Welthandel machtlos


Im Welthandel sind Macht und Einfluss ungleich verteilt. Vor allem afrikanische Länder südlich der Sahara geben selten den Ton an. Fünf Gründe, warum das in Zukunft wahrscheinlich so bleibt.

Videoaufzeichnung der Vorlesung „China als Freihandelschampion?“

Wir freuen uns euch endlich auch die Aufzeichnung unserer Veranstaltung zum Thema China und Freihandel zur Verfügung stellen zu können.

Hier könnt ihr das gleiche Video auf den Servern der Uni Köln schauen. (bessere Auflösung).

Zum Blogbeitrag von Lara Janssen zu der China-Sitzung geht es hier entlang:

Warum China kein Champion des Freihandels istChinas Rolle im Welthandel ist gigantisch, und wird noch größer. Der Staatspräsident verkündete schon oft, den chinesischen Markt für Freihandel zu öffnen. Das ist aber nur ein rhetorischer Trick.

Warum China kein Champion des Freihandels ist

Von Lara Janssen

Chinas Rolle im Welthandel ist gigantisch, und wird noch größer. Der Staatspräsident verkündete schon oft, den chinesischen Markt für Freihandel zu öffnen. Das ist aber nur ein rhetorischer Trick.

Die chinesische Wirtschaft wächst rasant und wirbelt seit Jahren den Welthandel auf. In den letzten Monaten war sie sehr oft Thema in den Nachrichten. Nachdem Donald Trump Zölle auf chinesische Produkte erhoben hat, verkündet der chinesische Staatspräsident und Parteichef Xi Jinping den chinesischen Markt für Freihandel zu öffnen. Aber will China tatsächlich Vorreiter im Freihandel sein? Ausgerechnet China, der größte noch existierende sozialistische Staat der Welt? Dieser Frage widmete sich Prof. Jörn Carsten Gottwald in unserer Ringvorlesung.

Um zu verstehen, wie aus Sozialismus ein Freihandelsausruf wird, lohnt ein Blick zurück: Als Mao Zedong 1949 die Volksrepublik China gründete, verkündete er: „Das chinesische Volk hat sich erhoben.“ Nicht das kommunistische. Mao Zedong und seine Nachfolger wollten vorrangig keine sozialistische Weltrevolution starten, sondern einzig ihr Land möglichst schnell wieder zu einem großen und mächtigen Reich aufbauen. Der Weg dahin war und ist: die sozialistische Marktwirtschaft. Ein Modell, das in China keinem festen Plan folgt, sondern von den Führungsgenerationen nach dem „Trial and Error“-Prinzip – also einfach mal probieren und schauen was klappt –  vorangetrieben wird. Man kann sich den chinesischen Markt und Staat wie einen Vogelkäfig vorstellen: Der Käfig darf zwar größer werden und es darf mehr Vögel geben, aber sie müssen im Käfig bleiben. Der Markt darf wachsen, aber der Staat hat das letzte Wort.

Prof. Jörn-Carsten Gottwald
Der Professor für Politik Ostasiens  an der Ruhruniversität Bochum beschäftigt sich seit über 20 Jahren wissenschaftlich mit China

„Wer die chinesische Wirtschaft verstehen will, muss den Parteistaat verstehen“, betont Gottwald. Die kommunistische Partei herrscht uneingeschränkt und legitimiert sich gegenüber dem Volk durch politische Stabilität und Wirtschaftswachstum. Das Ziel bleibt gleich: China will zur neuen Supermacht aufsteigen, und ist es in vielen Bereichen bereits. Die Partei führt, kontrolliert und durchdringt dabei den gesamten Staatsapparat. Und das geschieht nicht inoffiziell, sondern ist in der Verfassung festgeschrieben. Auch in der Wirtschaft beobachtet, zensiert und beeinflusst die Partei Menschen, Finanzen und den Zugang zu Kapital. „Ab einer gewissen Größe beaufsichtigt die Partei alle Unternehmer“, sagt Gottwald. Funktionäre der Partei sind unter den Kunden, Zulieferern oder auch in den Banken. Ihre Präsenz ist allgegenwärtig. Mit freiem Handel hat das nicht viel zu tun.

Denn die chinesische Parteispitze legt zwar Wert darauf, dass die Wirtschaft und das Wissen im Land wachsen – gleichzeitig muss beides aber dabei stets unter ihrer Kontrolle bleiben. Einerseits ist dieses Modell einer sozialistischen Marktwirtschaft erfolgreich: Die Wirtschaft wächst, immer weniger Chinesen leben unterhalb der absoluten Armutsgrenze. Die Regierung investiert enorm viel in die Bildung. Die Partei nutzt intensiv Big Data, um Reformen für die Wirtschaft zu entwickeln, aber auch, um strenge Kontrolle auszuüben. Gleichzeitig nehmen Korruption und Ungleichheit zu. In China leben inzwischen mehr Milliardäre als in den USA. (Warum mehr Handel zu einer größeren Ungleichheit führen kann,  haben wir bereits in einer anderen Sitzung diskutiert)

Die chinesische Wirtschaft integriert sich in die Weltwirtschaft. China baut seine Rolle als interregionale Ordnungsmacht aus. Sich selbst als Champion des Freihandels zu inszenieren, ist laut Gottwald aber nicht mehr als eine PR-Strategie.

Denn die USA und China kämpfen darum, wer künftig als Supermacht dastehen wird. So gesehen ist die Selbstdarstellung als Freihandels-Champion die perfekte Antwort auf die Strafzölle, die die USA nun vermehrt auf chinesische Produkte erheben. Die USA waren traditionell ein starker Verfechter des freien Handels – diese ideologische Rolle will China nun für sich. Die Realität  des Freihandels will das Land aber nicht.

Und die Fakten geben Gottwald recht: Xi Jingpings Worten sind keine Taten gefolgt. Dass die Partei den Staat und die Wirtschaft kontrolliert und jegliche Macht auf sich zentralisiert, widerspricht den Prinzipien des Freihandels grundlegend. Und diese Macht wird die  Parteispitze wohl auch in Zukunft nicht abgeben.

Autorin: Lara Janssen

„Eine Universität sollte ein Ort des Quer- und Weiterdenkens sein und nicht der reinen Rezeption. Damit auch in der Volkswirtschaftslehre verschiedene Modelle gelehrt und diskutiert werden, verbreite ich gerne die Inhalte der Ringvorlesung Plurale Ökonomik.“