Von Lara Janssen
Chinas Rolle im Welthandel ist gigantisch, und wird noch größer. Der Staatspräsident verkündete schon oft, den chinesischen Markt für Freihandel zu öffnen. Das ist aber nur ein rhetorischer Trick.
Die chinesische Wirtschaft wächst rasant und wirbelt seit Jahren den Welthandel auf. In den letzten Monaten war sie sehr oft Thema in den Nachrichten. Nachdem Donald Trump Zölle auf chinesische Produkte erhoben hat, verkündet der chinesische Staatspräsident und Parteichef Xi Jinping den chinesischen Markt für Freihandel zu öffnen. Aber will China tatsächlich Vorreiter im Freihandel sein? Ausgerechnet China, der größte noch existierende sozialistische Staat der Welt? Dieser Frage widmete sich Prof. Jörn Carsten Gottwald in unserer Ringvorlesung.
Um zu verstehen, wie aus Sozialismus ein Freihandelsausruf wird, lohnt ein Blick zurück: Als Mao Zedong 1949 die Volksrepublik China gründete, verkündete er: „Das chinesische Volk hat sich erhoben.“ Nicht das kommunistische. Mao Zedong und seine Nachfolger wollten vorrangig keine sozialistische Weltrevolution starten, sondern einzig ihr Land möglichst schnell wieder zu einem großen und mächtigen Reich aufbauen. Der Weg dahin war und ist: die sozialistische Marktwirtschaft. Ein Modell, das in China keinem festen Plan folgt, sondern von den Führungsgenerationen nach dem „Trial and Error“-Prinzip – also einfach mal probieren und schauen was klappt – vorangetrieben wird. Man kann sich den chinesischen Markt und Staat wie einen Vogelkäfig vorstellen: Der Käfig darf zwar größer werden und es darf mehr Vögel geben, aber sie müssen im Käfig bleiben. Der Markt darf wachsen, aber der Staat hat das letzte Wort.
Prof. Jörn-Carsten Gottwald
Der Professor für Politik Ostasiens an der Ruhruniversität Bochum beschäftigt sich seit über 20 Jahren wissenschaftlich mit China
„Wer die chinesische Wirtschaft verstehen will, muss den Parteistaat verstehen“, betont Gottwald. Die kommunistische Partei herrscht uneingeschränkt und legitimiert sich gegenüber dem Volk durch politische Stabilität und Wirtschaftswachstum. Das Ziel bleibt gleich: China will zur neuen Supermacht aufsteigen, und ist es in vielen Bereichen bereits. Die Partei führt, kontrolliert und durchdringt dabei den gesamten Staatsapparat. Und das geschieht nicht inoffiziell, sondern ist in der Verfassung festgeschrieben. Auch in der Wirtschaft beobachtet, zensiert und beeinflusst die Partei Menschen, Finanzen und den Zugang zu Kapital. „Ab einer gewissen Größe beaufsichtigt die Partei alle Unternehmer“, sagt Gottwald. Funktionäre der Partei sind unter den Kunden, Zulieferern oder auch in den Banken. Ihre Präsenz ist allgegenwärtig. Mit freiem Handel hat das nicht viel zu tun.
Denn die chinesische Parteispitze legt zwar Wert darauf, dass die Wirtschaft und das Wissen im Land wachsen – gleichzeitig muss beides aber dabei stets unter ihrer Kontrolle bleiben. Einerseits ist dieses Modell einer sozialistischen Marktwirtschaft erfolgreich: Die Wirtschaft wächst, immer weniger Chinesen leben unterhalb der absoluten Armutsgrenze. Die Regierung investiert enorm viel in die Bildung. Die Partei nutzt intensiv Big Data, um Reformen für die Wirtschaft zu entwickeln, aber auch, um strenge Kontrolle auszuüben. Gleichzeitig nehmen Korruption und Ungleichheit zu. In China leben inzwischen mehr Milliardäre als in den USA. (Warum mehr Handel zu einer größeren Ungleichheit führen kann, haben wir bereits in einer anderen Sitzung diskutiert)
Die chinesische Wirtschaft integriert sich in die Weltwirtschaft. China baut seine Rolle als interregionale Ordnungsmacht aus. Sich selbst als Champion des Freihandels zu inszenieren, ist laut Gottwald aber nicht mehr als eine PR-Strategie.
Denn die USA und China kämpfen darum, wer künftig als Supermacht dastehen wird. So gesehen ist die Selbstdarstellung als Freihandels-Champion die perfekte Antwort auf die Strafzölle, die die USA nun vermehrt auf chinesische Produkte erheben. Die USA waren traditionell ein starker Verfechter des freien Handels – diese ideologische Rolle will China nun für sich. Die Realität des Freihandels will das Land aber nicht.
Und die Fakten geben Gottwald recht: Xi Jingpings Worten sind keine Taten gefolgt. Dass die Partei den Staat und die Wirtschaft kontrolliert und jegliche Macht auf sich zentralisiert, widerspricht den Prinzipien des Freihandels grundlegend. Und diese Macht wird die Parteispitze wohl auch in Zukunft nicht abgeben.
Autorin: Lara Janssen
„Eine Universität sollte ein Ort des Quer- und Weiterdenkens sein und nicht der reinen Rezeption. Damit auch in der Volkswirtschaftslehre verschiedene Modelle gelehrt und diskutiert werden, verbreite ich gerne die Inhalte der Ringvorlesung Plurale Ökonomik.“
Eine Antwort auf „Warum China kein Champion des Freihandels ist“
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