Afrikanische Länder sind im Welthandel machtlos

Von Lara Janssen

Im Welthandel sind Macht und Einfluss ungleich verteilt. Vor allem afrikanische Länder südlich der Sahara geben selten den Ton an. Fünf Gründe, warum das in Zukunft wahrscheinlich so bleibt.

Die Regeln des Welthandels sind das Ergebnis von unterschiedlich verteilter Macht. Oft nutzen sie vor allem Industrieländern wie den USA oder Deutschland. Die Rolle afrikanischer Länder hingegen ist auf der Bühne des Welthandels verschwindend klein. Was das für die Länder bedeutet, erklärte Dr. Evita Schmieg in unserer Ringvorlesung. Sie war lange Zeit Leiterin des Handelsreferats im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, mittlerweile forscht sie auf dem Gebiet.

Die schwache Machtposition afrikanischer Länder südlich der Sahara lässt sich Schmieg zufolge aus den globalen Handelsstrukturen ableiten. Und diese werden hauptsächlich von der Welthandelsorganisation (WTO) bestimmt. Ziel der WTO ist prinzipiell, den Handel zu liberalisieren. Das heißt: Zölle senken und Regeln für einen freien Waren- und Dienstleistungsverkehr aufstellen. Grundsätzlich herrscht unter vielen Ökonomen das Credo: Je freier der Handel, desto stärker profitieren unterm Strich alle. Aber schon innerhalb Deutschlands entstehen dabei Gewinner und Verlierer. Für Entwicklungsländer ist die Situation oft noch härter. Aus folgenden Gründen haben die meisten afrikanischen Staaten von einer zunehmenden Liberalisierung wenig:

1. Schlecht in Verhandlungen eingebunden
Entwicklungsländer sind oft zum Schutz der lokalen Märkte von neuen Regeln der WTO ausgenommen und müssen zum Beispiel ihre Zölle vorerst nicht senken. Eigentlich von Vorteil – diese Sonderbehandlung führt laut Schmieg aber auch dazu, dass die Industrieländer die Entwicklungsländer wenig in Verhandlungen über Abkommen einbeziehen – mit dem Argument, dass die neuen Regeln letztere zunächst sowieso nicht betreffen. Häufig bestünde auch seitens der afrikanischen Länder erst mal kein allzu großes Interesse, mitzudiskutieren. Insofern nützen die Abkommen meist eher den ohnehin schon mächtigen Nationen und die schwächeren Länder haben langfristig das Nachsehen.

2. Fehlende Stabilität führt zu wenig Investitionen
Hinzu kommt, dass Zölle nicht mehr ausschlaggebend sind. Inzwischen finden etwa zwei Drittel des internationalen Handels in globalen Wertschöpfungsketten statt. In einer Wertschöpfungskette besteht die Produktion aus verschiedenen Arbeiten an unterschiedlichen Orten. Je nach Schritt wird unterschiedlich viel Wert abgeschöpft, in voneinander unabhängigen Ländern. Insofern konkurrieren Länder nicht mehr mit ihren Produkten, sondern mit ihren Standortfaktoren. Relevant sind etwa eine klare Rechtslage, Stabilität und Sicherheit. Das können viele Subsahara-Länder nicht bieten, sie sind kaum in die Ketten involviert. Oft ist es für ausländische Unternehmen zu riskant zu investieren. Der derzeitige Anteil dieser Länder am Welthandel ist außerdem so gering, dass Investitionen unattraktiv sind.

3. Die USA ernennt keine neuen Streitschlichter
In Auseinandersetzungen haben weniger entwickelte Länder grundsätzlich eine schwache Position. Was ihnen als Machtmittel dienen kann, ist ein etabliertes Instrument der WTO: die Streitschlichtung. Hält sich ein Mitglied nicht an die Regeln, kann ein anderes Mitglied ein Panel aufrufen, das den Streit schlichtet und gegebenenfalls Sanktionen verhängt. Dieses System funktionierte eigentlich gut – bis die USA Donald Trump zum Präsidenten wählte. Er höhlt momentan das Instrument aus, indem er keine neuen Streitschlichter ernennt. Das führt dazu, dass das Gremium entscheidungsunfähig wird – und die schwächeren Staaten noch weniger Macht im Handelssystem haben.

4. Keiner fühlt sich für Afrika verantwortlich
Während die USA sich mit Trump aus jeglicher Verantwortung zieht, sehen viele die EU in der Pflicht, die afrikanischen Länder in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung zu unterstützen. Doch innerhalb der EU ist dies umstritten: Ehemalige Kolonialmächte stimmen einer Verantwortung tendenziell zu. Südeuropa hingegen macht vielen Staaten Afrikas mit ähnlichen Agrarprodukten Konkurrenz, und hat kein Interesse, seine Machtposition zu verschlechtern. Osteuropäische Länder wiederum fühlen sich angesichts eigener wirtschaftlicher Schwäche nicht verantwortlich. Damit sind klare Entscheidungen für eine starke Entwicklungspolitik im EU-Rat oft unmöglich. Es ist also unwahrscheinlich, dass sich die EU dafür einsetzt, die Machtposition der afrikanischen Staaten zu stärken.

5. NGOs und Regierungen instrumentalisieren Handelsabkommen
Erschwerend kommt hinzu, dass Nichtregierungsorgansiationen (NGOs) und auch afrikanische Regierungen komplexe Themen wie Freihandelsabkommen instrumentalisieren. Mit einfachen Slogans verurteilen und boykottieren sie laut Schmieg Handelsabkommen, ohne die möglichen Vorteile für die Bevölkerung zu erwähnen. Das kann für andere Ziele der NGOs wichtig sein, zum Beispiel um viele Menschen zu mobilisieren. Die afrikanische Position im Welthandel stärken sie dadurch jedoch nicht.

Dr. Evita Schmieg, Forscherin der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP)

Um die Stellung afrikanischer Länder im Welthandel langfristig zu stärken, ist es laut Schmieg wichtig im Einzelfall genau hinzuschauen. “Leider sind die Lösungen oft nicht so einfach, wie sie auf den ersten Blick klingen mögen”, sagt Schmieg.

Wenn ihr konkrete Beispiele und einige Geschichten aus der Praxis der Verhandlungen von Freihandelsabkommen erfahren wollt, schaut euch hier die Videoaufzeichnung der Vorlesung von Evita Schmieg an.

Autorin: Lara Janssen

„Eine Universität sollte ein Ort des Quer- und Weiterdenkens sein und nicht der reinen Rezeption. Damit auch in der Volkswirtschaftslehre verschiedene Modelle gelehrt und diskutiert werden, verbreite ich gerne die Inhalte der Ringvorlesung Plurale Ökonomik.“

Videoaufzeichnung der Vorlesung „Welche Rolle spielt Macht?“

Der Welthandel folgt Regeln, die in der Welthandelsorganisation (WTO) kodifiziert sind. Daneben existiert eine Vielzahl bilateraler und regionaler Freihandelsabkommen, die ebenfalls auf Verträgen basieren. Sind diese Regeln ein Schutz vor der Macht des Stärkeren? Oder sind schon die Regeln das Ergebnis von Macht und nützen nur stärkeren Ländern? Welchen Einfluss hat ein Einzelner in einer Machtposition, wie US-Präsident Donald Trump?

Diese Fragen hat Dr. Evita Schmieg vergangene Woche in unserer Ringvorlesung beantwortet. Sie war lange Zeit Leiterin des Handelsreferats im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und hat dort bei vielen der aktuell gültigen Handelsabkommen mitverhandelt. Mittlerweile ist sie Teil einer Forschungsgruppe der Stiftung Wissenschaft und Politik.

Hier gibt es ihre Vorlesung zum Nachschauen:

Lest auch den Blogbeitrag von Lara Janssen zum Thema:

Afrikanische Länder sind im Welthandel machtlos


Im Welthandel sind Macht und Einfluss ungleich verteilt. Vor allem afrikanische Länder südlich der Sahara geben selten den Ton an. Fünf Gründe, warum das in Zukunft wahrscheinlich so bleibt.

Videoaufzeichnung der Vorlesung „China als Freihandelschampion?“

Wir freuen uns euch endlich auch die Aufzeichnung unserer Veranstaltung zum Thema China und Freihandel zur Verfügung stellen zu können.

Hier könnt ihr das gleiche Video auf den Servern der Uni Köln schauen. (bessere Auflösung).

Zum Blogbeitrag von Lara Janssen zu der China-Sitzung geht es hier entlang:

Warum China kein Champion des Freihandels istChinas Rolle im Welthandel ist gigantisch, und wird noch größer. Der Staatspräsident verkündete schon oft, den chinesischen Markt für Freihandel zu öffnen. Das ist aber nur ein rhetorischer Trick.

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Ankündigung: 1. Sitzung – Jens Südekum: Gewinner und Verlierer des Freihandels

 

Wenn Nationen ihre Grenzen für den Warenverkehr öffnen, dann vergrößert das den weltweiten Wohlstand. Das ist unter Ökonom*innen kaum umstritten. Doch heißt das auch, dass jede*r Einzelne vom Freihandel profitiert?

Nein, sagt Jens Südekum. Er ist Professor für internationale Volkswirtschaftslehre an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Ein Schwerpunkt seiner Forschung liegt auf den Auswirkungen der Globalisierung auf den deutschen Arbeitsmarkt. Freihandel schaffe zwar einen Wohlfahrtsgewinn für die Gesellschaft – bringe dabei aber auch Gewinner*innen und Verlierer*innen hervor.

Wer gewinnt und wer verliert? Und was muss die Politik tun, damit Freihandel sich für alle auszahlt?

Am  Mittwoch, den 11.4. wird Professor Südekum uns diese Fragen beantworten. Sein Vortrag wird um 17:45 Uhr beginnen und etwa eine Stunde dauern. Danach bleibt noch eine halbe Stunde für Eure Fragen.

Wo? Hörsaal XXIV (Wiso-Gebäude), Uni Köln.

Hier geht’s zur Facebook-Veranstaltung

Mehr als 160 Anmeldungen

Es haben sich in der gerade abgelaufenen Belegphase 164 Studierende für die Ringvorlesung angemeldet. Wir freuen uns sehr über so viel Interesse!

Übrigens: Wer die Anmeldung verpasst hat, kann sich auch in der Restplatzvergabe ab dem 10. April noch anmelden.

Wenn ihr aus Interesse zu einer oder mehreren Veranstaltungen kommen wollt, müsst ihr euch aber gar nicht unbedingt anmelden. Das ist nur notwendig, wenn ihr die Teilnahme im Studium Integrale angerechnet bekommen wollt.

Wir freuen uns auf euch! Bis bald!

(Kleines Update vom 14. April: Mittlerweile haben wir sogar 215 Anmeldungen. Danke dafür!)

Anmeldung für die Ringvorlesung ab jetzt möglich

Ab heute kann man sich über die Uni-Server für unsere Ringvorlesung anmelden. Das ist vor allem für diejenigen unter euch relevant, die sich die Teilnahme im Studium Integrale anrechnen lassen wollen. Damit wir wissen, mit wie vielen Teilnehmern wir ungefähr rechnen können, wäre es auch schön, wenn andere Interessenten sich über KLIPS2 anmelden. Ihr werden damit außerdem automatisch auf einen E-Mail-Verteiler gesetzt, über den wir euch über kurzfristige Änderungen informieren können.

Die Anmeldung zur Veranstaltung ist allerdings nicht gleich die Anmeldung zur Prüfung! Wer die Ringvorlesung im Studium Integrale angerechnet bekommen möchte, muss sich nach der Belegung ebenfalls für die Prüfung anmelden.

Die Ringvorlesung hat die Lehrveranstaltungsnummer 14287.000. In Klips2 findet ihr sie hier. Wir freuen uns auf euch!

Blogger*innen gesucht

Wir suchen für die kommende Ringvorlesung noch kluge Mitdenker und Mitdenkerinnen, die Lust haben, Blogartikel zu den Vorlesungen zu produzieren.

Bei dem Verfassen sind euch prinzipiell keine Grenzen gesetzt. Ihr könnt kommentieren, erklären, philosophieren, umschwänglich zustimmen oder treffsicher kritisieren. Auch die Form könnt ihr wählen, wie ihr mögt. Ob Text, Videostatement oder kurzer Podcast: Ihr macht das, worauf ihr Lust habt und was euch sinnvoll vorkommt.

Ziel der Beiträge ist es, die Vorlesungen zu reflektieren und eine studentische Perspektive auf unsere Vorlesungen zu geben. Wir wollen so die Diskussion über die Sitzung im Hörsaal hinaus tragen – so könnt ihr durch eure Texte zum Nachdenken anregen und/oder Diskussionen auf Facebook lostreten.

Was wir euch bieten:

  • Publikation auf dieser Website
  • Teilen der Beiträge über unsere Social-Media-Kanäle
  • Bescheinigung über euren ehrenamtlichen Einsatz (wenn ihr das wollt)
  • Feedback zu Stil und Textaufbau von Absolventen der Kölner Journalistenschule (wenn ihr das wollt)

Meldet euch bei Interesse gerne unter ringvorlesung@oikos-koeln.org

Hier gibt es Beispiele zu Blog-Beiträgen zu der Ringvorlesung aus 2017.